#7 Warum agile Prinzipien die digitale Transformation vorantreiben Alexander Krieg März 23, 2022

#7 Warum agile Prinzipien die digitale Transformation vorantreiben

Nicht erst seit Start der Pandemie oder dem Abkommen zu den Klimazielen der Europäischen Kommission stehen Unternehmen unter Zugzwang: Sie entscheiden sich auch aufgrund des stetig wachsenden Drucks durch digitale Strategien der Mitwettbewerber zu einer umfassenden digitalen Transformation. So stehen z. B. die Mobilitäts- und auch die Transportbranche vor der Herausforderung, neue Konzepte, Services und digitale Geschäftsmodelle in den Markt zu bringen. Vor dem Start ist eine Erkenntnis von besonderer Bedeutung: Digitalisierung geht Hand in Hand mit Agilität. Aber warum ist das so wichtig? 

 

Systeme werden für Menschen gemacht, nicht umgekehrt 

Bis vor wenigen Jahren setzten Unternehmen auf das Wasserfall-Vorgehen, um Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Diese endeten meist in einen Big-Bang-Release, bei dem das gesamte System am Ende des Projekts auf einen Schlag live ging – mit meist erheblichen Problemen und aufwendigen Nachbesserungen. Meist der Grund für dieses Vorgehen: ERP-, DW- oder CRM-Lösungen sollten so schnell wie möglich in die vorhandene IT-Infrastruktur eingliedert werden. Gleichzeitig waren Optimierungen der vorhandenen Prozesse, Strukturen und Arbeitsweisen oft nicht Teil der Digitalisierungsstrategie und somit auch nicht Inhalt der jeweiligen Umsetzungsprojekte. Die Folgen: In vielen Fällen mussten Mitarbeitende ihre täglichen Prozesse und Abläufe an die neuen Systeme anpassen, was meist zu einem erheblichen Mehraufwand und Frustration führte.  

 

Agile Prinzipien unterstützen bei anspruchsvollen Aufgaben 

Die klassischen Digitalisierungsstrategien hatten das Ziel, die eigene Produktpalette und Lieferketten digital zu erfassen und abzubilden. Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt bei modernen Transformationen darauf, vorhandene Prozesse, Strukturen, Wert- und Datenströme zu optimieren – mit dem Ziel, schneller, flexibler und effizienter Produkte zu liefern sowie auf Veränderungen und Bedürfnisse zu reagieren. Prognosen und Vorhersagen sind vonnöten, um Risiken zu minimieren und zukünftige Entwicklungen rechtzeitig und richtig einzuschätzen.  

Zu den größten Herausforderungen auf Technologieseite gehört die Implementierung einer unternehmenseigenen Cloud-Umgebung, das Nutzen eines externen Cloud-Services oder die Einführung von IT-Services, die auf einer künstlichen Intelligenz basieren. Mehrere Bereiche sind davon gleichermaßen betroffen wie z. B. Netzwerk, Compliance, Governance, Datenmanagement sowie die vorhandenen IT- und Organisationsstrukturen. Das gestaltet eine Transformation zu einem sehr komplexen Vorhaben. Aus fünfundzwanzig Jahren Erfahrung mit Agilität wissen wir, dass agile Vorgehen und Prinzipien die beste Antwort darauf sind, ein komplexes Vorhaben beherrschbar zu machen und erfolgreich umzusetzen. 

 

End2End-Entwicklung kollidiert mit dem gewohnten System 

Ein Großteil der Unternehmen startet Digitalisierungsprojekte und führt getrennt davon agile Prinzipien und meist gar keine agile Leadership-Kultur ein. Ein Grund dafür mag sein, dass ein in Fachsilos aufgeteiltes Organisationsdesign innerhalb eines hierarchisch strukturierten und geführten Unternehmens noch sehr weit verbreitet ist und beide Themen in unterschiedlichen Fachbereichen organisiert werden. Diese Unternehmen stoßen spätestens dann an ihre Grenzen, sobald sie über die Einführung einer End2End-Produktentwicklung nachdenken, die sich vom ersten Bedarf des Kunden bis zur Leistungserbringung erstreckt und somit in der Regel abteilungsübergreifend erfolgen muss. Innerhalb der gewohnten Organisations- und Führungsstrukturen ist das systemisch nur schwer zu realisieren. Das ist in etwa so, als wolle man einen Dieselmotor mit Strom aufladen. 

 

Welche Bereiche gehören zum Veränderungsvorhaben? 

Eine digitale Transformation betrifft in der Regel die gesamte Unternehmensstrategie und damit auch die IT- und KI-Strategie. Alle drei Strategien müssen betrachtet werden, um interne Prozesse zu optimieren bzw. bestehende Geschäftsmodelle entsprechend digitaler auszurichten. 

Viele Unternehmen beginnen mit der Optimierung bestehender Prozesse und erster KI-gestützter digitaler Services und Produkte – wie z. B. Prognosen zu Kundenverhalten, Routen- und Ladepunktoptimierung oder zu einer idealen Verteilung der Flotte innerhalb einer Metropolregion. Es entsteht ein individueller und digitaler Reifegrad des Unternehmens, der sich über die Zeit vom ersten Prozess bis hin zu komplett digitalen Geschäftsmodellen entwickeln kann. Eine digitale Transformation umfasst nicht nur den Bereich “Technologie”, sondern auch die Bereiche “nachhaltige Führungskultur” sowie “agiles Organisationsdesign”.  

Spätestens der Wunsch nach End2End-Prozessen, Wertströmen und Produktentwicklung machen klar, dass es bei einer digitalen Transformation nicht nur um Technologieaspekte geht, sondern insbesondere um die Überlegung: Wie organisieren und strukturieren wir uns, um End2End zu erreichen? Schließlich kranken die meisten Unternehmen daran, dass sie teils zur Beantwortung einer einzigen Kundenanfrage mit unterschiedlichsten Abteilungen sprechen müssen. Das heißt: Teams können nicht liefern, weil sie von unzähligen anderen Fachbereichen abhängig sind.  

 

Die ersten Schritte in die erfolgreiche Transformation 

Für eine digitale Transformation ist es notwendig, ein crossfunktionales Team aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Hierarchieebenen zusammenzustellen (John P. Kotter – Leading Change Step2: Build a Guiding Coalitions) – das sogenannte Transformationsteam. Dieses schafft Transparenz über die notwendigen Projekte und Veränderungen innerhalb der Organisation. Essenziell ist der sogenannte Management-Buy-in: Es genügt nicht, das notwendige Budget bereitzustellen – die Geschäftsführung muss Teil des Transformationsteams sein. Sie hat auch die zwingende Aufgabe, die Notwendigkeit der Transformation zu kommunizieren. Ohne diese Dringlichkeit wird eine Veränderung nicht gelingen: Man kann sich nicht “ein bisschen” transformieren (John P. Kotter – Leading Change Step1: Create a Sense of Urgency). Für die umzusetzenden Projekte müssen im nächsten Schritt Mitarbeitende gefunden werden, die ein wirkliches Interesse daran haben, Lösungen zu erarbeiten. Den Kern bildet eine agile Führungsmannschaft, die befähigt ist, Teams in die Selbstorganisation zu führen – nur so wird aus einem klassischen Change eine reale Transformation. Ein wesentlicher Unterschied zum klassischen Changemanagement ist es also, die Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess miteinzubeziehen und ihn gemeinsam umzusetzen. Für eine agile Transformation gilt wie auch für jedes erfolgreiche agile Projekt: Rückblickend können wir genau erklären, wie wir vorgegangen sind. Zu Beginn wäre das so aber nur schwer planbar gewesen (Ron van Kemenade – CIO ING). 

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